Sechs Gold-, fünf Silber- und vier Bronzemedaillen sammelten unsere OSP-Athletinnen und Athleten bei der Heim-EM im August im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark.
Drei Gold- und eine Silbermedaille gab es jeweils für Felix Streng und Johannes Floors vom TSV Bayer 04 Leverkusen. Über 200 Meter gewannen beide jeweils in ihrer Startklasse: Felix Streng, der von Hans-Jörg Thomaskamp trainiert wird, bei den einseitig Unterschenkelamputierten. Johannes Floors, der bei Stefan Press trainiert, bei den beidseitigen. Gemeinsam mit Vereinskamerad Markus Rehm und Phil Grolla vom VfB Fallersleben sicherten sich die Ausnahmeathleten zudem Gold in der 4×100-Meter-Staffel.
Während Johannes Floors seine dritte Goldmedaille über 400m gewann, gelang dies Felix Streng über die 100m, als er sich im Finale gegen Johannes Floors durchsetzen konnte, der sich mit Silber begnügen musste. „Den Titel wollte ich, die 100 Meter gehören mir, sie bedeuten mir viel – und das ist mein erster großer Titel auf der Strecke“, sagte Felix Streng anschließend. Im Weitsprung sicherte sich Felix Streng mit persönlicher Bestweite von 7,71 Meter die Silbermedaille.
Dort jubelte ein weiterer Leverkusener: Markus Rehm. Wenige Tage nach seinem 30. Geburtstag war die große Frage, ob der Athlet von Steffi Nerius erneut seinen Weltrekord verbessern kann. Vor seinem letzten Versuch stand der EM-Titel bereits fest, mit seinen 8,11 Metern hatte er das Feld distanziert. Angetrieben vom rhythmischen Klatschen der 5.000 Zuschauer legte er alle Kraft in den Absprung, flog und landete bei 8,48 Meter – Weltrekord. Ein Zentimeter mehr als noch Anfang Juli in Japan. „Ich bin mit dem Anlauf nicht zurechtgekommen, der Wind war ziemlich ordentlich. Erst den letzten Sprung habe ich richtig getroffen. Dass es auch der Weltrekord ist, freut mich umso mehr“, sagte Rehm, der die Sandgrube fast gänzlich ausnutzte.
Gleich doppelt Silber gab es für Irmgard Bensusan (TSC Bayer 04 Leverkusen) über 100 und 200 Meter, was für die 400-Meter-Weltmeisterin von London alles andere als zufriedenstellend war, zumal Doppel-Europameisterin Marlene van Gansewinkel im vergangenen Jahr einen beeindruckenden Leistungssprung gemacht hat: „Ich weiß nicht, wie sie das gemacht hat – und auch nicht, wie hart ich denn noch trainieren soll, um Gold zu gewinnen.“
Einen emotionalen Höhepunkt hatte es schon am Dienstag gegeben, als Heinrich Popow in seinem letzten Wettkampf Silber gewonnen hatte. Von Mittwoch bis Freitag brachte er dann für Ottobock Amputierten das Rennen mit einer Sportprothese bei, Running Clinics heißt das Projekt, es ist sein Baby. Als Berater für die japanische Leichtathletik-Nationalmannschaft in Richtung Tokio 2020 wird er dem Sport verbunden bleiben – und wer gesehen hat, wie er bei den anderen Leverkusenern mitgegangen ist und mitgefiebert hat, kann sich Bayer ohne Popow nicht vorstellen.
Bronze gewann EM-Debütant Johannes Bessell schon am ersten Tag, es war die erste deutsche Medaille, nachdem der Mittelstreckler von Sara Grädtke über 1.500 Meter ein taktisch kluges Rennen sicher auf dem Bronzerang ins Ziel gebracht hatte.
Rennrollstuhlfahrer Alhassane Baldé vom SSF Bonn lieferte sich mit Trainingskollege Marcel Hug aus der Schweiz ein spannendes Rennen über 5.000 Meter und musste sich erst auf der Zielgeraden geschlagen geben. Über 800m wurde für den 32-Jährigen die erkämpfte Bronzemedaille zur Zitterpartie. Nach einem Protest wurde unser OSP-Athlet disqualifiziert, weil er den Briten Nathan Maguire angeblich auf der Ziellinie durch einen Spurwechsel am Überholen gehindert haben soll. „Wir müssen das Urteil hinnehmen, auch wenn wir damit nicht einverstanden sind“, sagte Teammanager Jörg Frischmann, nachdem noch ein Gegenprotest eingelegt worden war, der aber abwiesen wurde.
Als es in der offiziellen Abschlusspressekonferenz um das Thema Parasport-Nachwuchs in Deutschland ging, sagte Bundestrainer Willi Gernemann: „Wir wären nicht da, wo wir jetzt sind, wenn es den TSV Bayer 04 Leverkusen nicht gäbe. Wenn wir drei oder vier solcher Zentren in Deutschland hätten, gäbe es keine Nachwuchssorgen.“
Parasport-Geschäftsführer Jörg Frischmann war in jedem Fall „rundum zufrieden mit der Meisterschaft. Berlin ist bekannt dafür, dass selten Bestleistungen fallen, umso beeindruckender und höher sind unsere Ergebnisse einzuschätzen.“
Im kommenden Jahr sind die Weltmeisterschaften in Dubai im November das Highlight für die Leichtathleten, bevor Ende August 2020 die Paralympics in Tokio starten.
Quelle: Nico Feißt / Bilder: Ralf Kuckuck/DBS und picture alliance