Auch die Leichtathleten*innen des Olympiastützpunkts NRW/Rheinland (OSP) haben ihre Betriebssysteme nach dem Corona-Lockdown behutsam hochgefahren und nutzen die neuen Trainingsmöglichkeiten, um sukzessive in ihren Trainingsalltag zurückzufinden. Nachdem am ersten Juni-Wochenende bereits die Stabhochspringer*innen eine biomechanische Leistungsdiagnostik unter wettkampfähnlichen Bedingungen in der Leichtathletikhalle des TSV Bayer 04 Leverkusen durchführten, nutzten in der vergangenen Woche nun auch die OSP-Hochspringer*innen um Europameister Mateusz Przybylko den Messplatz, um ihren Neustart mit wichtigen Erkenntnissen zu unterfüttern.
Für unsere OSP-Leistungsdiagnostiker Dr. Falk Schade und Ralf Böhle ermöglichen diverse technische Hilfsmittel dabei die Erhebung und Schnellauswertung objektiver Messdaten. Der Bewegungsablauf der Hochspringer*innen kann sozusagen in seine Einzelteile zerlegt und wissenschaftlich ausgewertet werden. Die ermittelten Erkenntnisse werden dann unmittelbar im laufenden Training an Trainer und Athlet weitergegeben.
Über Kraftmessplatten im Boden können die Wissenschaftler die Bodenreaktionskräfte der Springer*innen während des Absprungs analysieren. Die Bewegungserfassung geschieht mithilfe von mehr als 20 Infrarotkameras, die über der Sprunganlage unter dem Hallendach montiert sind, und einer Highspeed-Kamera. „Damit die Kameras die Bewegung einfangen können, werden an markanten Körperstellen des jeweiligen Springers wie Kopf, Schultern, Ellbogen, Hüften, Knie und Füßen reflektierende Marker aufgeklebt. Unsere Messtechnik ist in der Lage die Bewegung dieser Marker millimetergenau zu erfassen und wir bekommen unmittelbar nach jedem Sprung ein dreidimensionales Abbild von der Aktion.“, erklärt Ralf Böhle.
OSP-Trainingswissenschaftler Dr. Falk Schade, der den Messplatz ursprünglich für die Disziplin Stabhochsprung konzipierte, sieht in der Anlage ein „anschauliches Beispiel für die Wirksamkeit tiefgehender biomechanischer Bewegungsanalysen unter Einbeziehung von Energiebetrachtungen“ und entwickelt die Nutzungsmöglichkeiten kontinuierlich weiter. „Die bisherige automatische Bewegungserfassung und -Analyse sowie Kopplung mit Kraftmessung am Absprungpunkt wollen wir im Hochsprung auf ein international neues Level heben, indem wir zusätzlich die Kräfte beim vorletzten Bodenkontakt messen, die wir als einen innovativen, extrem wichtigen Parameter für das zukünftige Technik-Coaching identifiziert haben. Denn der hochdynamische und sehr schnelle Absprung wird maßgeblich durch das Bewegungsverhalten im vorletzten Bodenkontakt beeinflusst“ so der Trainingswissenschaftler, der den Messplatz gemeinsam mit Ralf Böhle nun auch für weitere Disziplinen anwendbar macht.
Hans-Jörg Thomaskamp, Coach unseres Europameisters 2018 und seit 01. Januar 2019 auch Hochsprung-Bundestrainer der Männer, gilt als unermüdlicher Analytiker und schätzt die Unterstützung der erfahrenen OSP-Biomechaniker, die ihm eine neue Perspektive bieten: „Aktuell stehen die Präzision und die Geschwindigkeit beim langen Anlauf im Fokus, und hier vor allem das Tempo auf den letzten drei Schritten. Die dabei durch die OSP-Leistungsdiagnostiker ermittelten biomechanischen Parameter, die uns in Echtzeit am Sprungplatz auch auf Bildschirmen visualisiert werden, können wir direkt in den Trainingsprozess bzw. die Techniksteuerung einfließen lassen.“
Und auch Mateusz Przybylko aus dem OSP-Top-Team für TOKYO ist dankbar für die übermittelten Daten: „Mir hilft das direkte Feedback der Biomechaniker unmittelbar nach dem Sprung, da ich mit meinem Coach dann direkt an den entsprechenden Stellschrauben drehen kann. Die Anwesenheit der OSP-Mitarbeiter und das Gefühl der aufgeklebten Bewegungsmarker sind in dieser Situation auch ein gewisser Push für mich.“
Quelle: OSP NRW/Rheinland; Bilder: Peter Eilers