Im optimalen Fall schafft der ein oder andere Athlet aus seinem aktuellen Verantwortungsbereich dann den Sprung in die Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele in Paris (2024) und Los Angeles (2028). Denn mit Peter Joppich (37 Jahre) und Benjamin Kleibrink (34 Jahre) werden die beiden Aushängeschilder im deutschen Florettfechten für einen weiteren Olympiazyklus eher nicht mehr zur Verfügung stehen.
„Meine ersten beiden Jahre als OSP-Trainer haben unheimlich viel Spaß gemacht, waren aber auch sehr anstrengend. Denn neben dem täglichen Training und der Wettkampfbetreuung meiner Athleten aus dem U17- und dem U20-Bereich unterstütze ich auch Bundestrainer Uli Schreck und seine Top-Athleten unter anderem bei den großen Wettkämpfen wie Welt- und Europameisterschaften, aber auch bei einzelnen Weltcups. Da sind freie Wochenenden im Laufe eines Jahres eher rar gesät.“
Für den gebürtigen Dresdener ist die enge Verzahnung des Nachwuchs- mit dem Top-Bereich elementar wichtig für die Entwicklung junger Talente. Denn „der Unterschied des sportlichen Niveaus zwischen einem Jugend- und einem Erwachsenen-Weltcup ist enorm, da geht den jungen Athleten schon ganz schön der Stift“, so unser OSP-Trainer. Entsprechend wichtig sei deshalb der sportliche Vergleich mit den nationalen Fechtgrößen wie Peter Joppich und Benni Kleibrink im Training, um damit auch etwas den Respekt vor der internationalen Konkurrenz zu verringern.
Luis Klein: internationale Erfolge als Sogwirkung für den Florett-Nachwuchs
Sein persönlicher Schüler Luis Klein kann dabei die Rolle als Vorbild für alle Kadetten und Junioren hervorragend ausfüllen, gelang ihm doch bereits der Übergang von der Jugend zu den Senioren. Im U-20 Bereich überzeugte er in der vergangenen Saison u.a. mit der Silbermedaille beim Weltcup in London und qualifizierte sich im Senioren-Bereich für die Heim-EM (Silber mit dem Team) und die WM in Budapest. Das Sahnehäubchen stellte die Olympia-Qualifikation mit dem Team dar und die Perspektive, dass Luis gute Chancen eingeräumt werden, in Tokio bei der Mannschaftsentscheidung auf der Planche zu stehen. Die Verantwortlichen am Bundesstützpunkt Bonn erhoffen sich von dieser Entwicklung eine Signalwirkung für alle anderen Nachwuchsflorettfechter, dass die Rahmenbedingungen in Bonn mit einer starken Trainingsgruppe eine erfolgreiche Fecht-Laufbahn ermöglichen.
Die starken Auftritte seines Schützlings führten dazu, dass Richard Junghanns mittlerweile auch die Senioren-Mannschaft bei internationalen Wettkämpfen begleitet und damit noch enger mit Bundestrainer Uli Schreck zusammenarbeitet: „Ich freue mich sehr, dass Uli Schreck mich in sein Team geholt hat, da ich jeden Tag von seiner großen Erfahrung profitiere. Nicht zuletzt seine knallharten Analysen meiner Arbeit bringen mich stets weiter und von diesem kontinuierlichen Austausch profitieren dann wieder meine Athleten.“
Olympiastützpunkt NRW/Rheinland: Dienstleister für den Spitzensport
Einen Garanten für eine erfolgreiche Entwicklung sieht „Richie“ in seiner direkten Anbindung an die OSP-Kernleistungen Gesundheitsmanagement, Leistungsoptimierung und Duale Karriere. Die umfassende Betreuung und Beratung auf höchstem Niveau nutzt er bereits frühzeitig im Nachwuchsbereich, auch als Zeichen für seine Athleten, welche Unterstützung und Wertschätzung sie für ihre Leistungsbereitschaft erhalten.
„Die professionelle Begleitung durch die OSP-Experten eröffnet uns viele Möglichkeiten. Die Zusammenarbeit mit Laufbahnberaterin Annika Reese ist geprägt durch ihr großes Know-how und Netzwerk, was gerade beim Übergang von der Schule zur Ausbildung oder zum Studium äußerst hilfreich ist. Aber auch die Leistungsdiagnostiken mit Dr. Argiris Vassiliadis, das Projekt Mentaltalent mit Mentaltrainer Thorsten Loch oder die enge Anbindung an die Physiotherapie sorgen für viel Abwechslung und Motivation bei meinen Jungs“ so Richard Junghanns, der darüber hinaus die besondere Unterstützung des OSP NRW/Rheinland erwähnt, die dieser durch seine starken Wirtschaftspartner sowohl im Top-Team als auch im PerspektivTeam bieten kann.
Das Ziel vor Augen: Auf dem Weg zu goldenen Momenten in Paris und Los Angeles
Am Bundesstützpunkt Bonn hat sich in den letzten Jahren eine starke Trainingsgruppe im U-20 Bereich etabliert mit Aushängeschild Luis Klein an der Spitze, der mit Jahrgang 1999 zwei Jahre älter ist als die anderen „young guns“ mit Potential. Zu diesen gehören Markus Praus und Tom Löhr (beide Jahrgang 2001), die im November 2019 in das PerspektivTeam aufgenommen wurden. In diesem besonderen Projekt unterstützen der Förderverein des Olympiastützpunktes NRW/Rheinland und die Agentur HEIMSPIELE hoffnungsvolle Talente aus der Region mit zusätzlichen Leistungen.
Nach seinem erfolgreichen Comeback nach schwerer Verletzung wird kurzfristig auch Moritz Renner (2001) dieses Team als Neuzugang bereichern, die aktuelle Nr. 1 der Deutschen U20-Rangliste. „Diese Jungs fechten schon lange mit- und gegeneinander, da ist im Training viel Reibung. Aber auch die nachfolgenden Jahrgänge mit Nils Fabinger, Noah Braun, David Liebscher, Arwen Borowiak und Laurenz Rieger (2002) sowie Justin Arndt (2003) sind verheißungsvolle Athleten,“ freut sich der Bundestrainer Nachwuchs über eine kontinuierlich wachsende Basis an Spitzenfechtern und ergänzt: „Jedoch muss da jetzt auch der nächste Schritt kommen – es ist harte Arbeit. Aber das wissen die Jungs und wir arbeiten auch jetzt schon vor der eigentlichen Saisonvorbereitung an fünf Tagen in der Woche trotz Ferien und gerade absolviertem Abitur hart, um Grundlagen zu schaffen für eine erfolgreiche, neue Saison.“
Optimierung der Rahmenbedingungen für herausragende Leistungen
Nach dem medaillenlosen Abschneiden der deutschen Fechter*innen bei Olympia in Rio 2016 sowie der folgenden Weltmeisterschaft 2018 setzte sich der einst erfolgsverwöhnte Deutsche Fechter-Bund das Ziel, 2028 wieder zur Weltspitze zu gehören. Hierfür müssen dringend die im internationalen Vergleich zweitklassigen Rahmenbedingungen für die deutschen Sportler*innen professionalisiert werden. Der beschworene Neubeginn steckt noch in den Kinderschuhen, es gäbe aber „viele Ideen, die wir umsetzen wollen – sportlich, strukturell, finanziell“ sagte Fecht-Präsidentin Claudia Bokel vor zwei Jahren.
Am Bundesstützpunkt Bonn richtet Richard Junghanns den Blick nach vorne: „Wir müssen die Probleme erkennen, analysieren und dann lösungsorientiert denken und dabei versuchen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um die Probleme zu lösen. Und wenn man Dinge nicht sofort ändern kann, muss man innovative Lösungen suchen – das verlange ich von meinen Athleten und so versuche ich auch vorzugehen.“
Die intensive Einbindung der klassischen OSP-Serviceleistungen bereits im Nachwuchsbereich sieht er als großen Fortschritt, die angebotenen Extraleistungen über das Top-Team und das PerspektivTeam als besondere Motivation und Wertschätzung durch den OSP. Nun gelte es, an weiteren Stellschrauben vor Ort in Bonn zu drehen: „Wir haben eine tolle Anbindung an unseren OSP, viele engagierte Leute im Umfeld des Bundesstützpunktes und jede Menge hochmotivierte Fechter. Wir müssen nun in kleinen Schritten noch nicht optimale Rahmenbedingungen sukzessive verbessern, um damit unseren Athleten mehr und mehr den Rücken freizuhalten, damit sie sich immer stärker auf den Leistungssport konzentrieren können.“
Die Corona-Pandemie wirbelt den Trainings- und Wettkampfalltag durcheinander
Der Lockdown in Folge der Corona-Pandemie hat den Leistungssport Mitte März kalt erwischt und sorgte vor allem für Unsicherheit, wann ein geregeltes Training bzw. Wettkampfsport wieder möglich sein würde. Aber auch der nicht-sportliche Alltag geriet für viele Athleten aus den Fugen. Ziele, auf die jahrelang hingearbeitet wurde, wie z.B. das Abitur, wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.
Schnell war klar: eine Kampfsportart wie Fechten ist für „Social Distancing“ eher weniger prädestiniert, auch wenn die Fechtmaske einen gewissen Schutz suggeriert.
Der Umgang mit der Ausnahmesituation durch Athleten, Trainer und Offizielle beeindruckte Richard Junghanns enorm: „Unser Alltag wurde auf den Kopf gestellt und dennoch hatte ich schnell das Gefühl, dass alle handelnden Personen die Nerven behielten. Die Gesundheit aller hatte oberste Priorität, im nächsten Schritt organisierten wir uns im Rahmen der vorgegebenen Richtlinien neu. Jeder Athlet erhielt individuelle Trainingspläne, die in Video-Calls abgestimmt wurden. Mentaltrainer Thorsten Loch unterstützte die Sportler mit Bewältigungsstrategien für den Umgang mit der Krise. Wir haben Gefechte analysiert via WhatsApp, uns Videos geschickt und standen einfach viel in Kontakt. Dann starteten wir sobald wie möglich in das Training in Kleinstgruppen und können mittlerweile unter Einhaltung der Hygienebestimmungen relativ normal trainieren. Ein Gefühl bleibt: Athleten und Trainer sind durch die Krise viel enger zusammengerückt, es ist ein neuer Team-Spirit entstanden, der uns viel Zuversicht für unsere kommenden Ziele gibt.“
Zurück auf die Wettkampf-Planche, aber wann?
Der internationale Fechtverband FIE hat entschieden, dass internationale Wettkämpfe erst in dem Moment wieder stattfinden werden, wenn zuvor 90 Tage eine uneingeschränkte Reisefreiheit gilt. Im deutschen Lager laufen die Planungen auf Hochtouren, im November die ersten nationalen Turniere auszurichten, um allen Athleten*innen ein Ziel vorgeben zu können, auf das sie in den nächsten Monaten hinarbeiten können.
Richard Junghanns plant flexibel: „Das ist mein großes Learning aus dem bisherigen Jahr 2020. Wir wollen im August wieder voll ins Training einsteigen, die Monate September und Oktober für intensive Lehrgänge nutzen, um dann bei unseren nationalen Turnieren voll im Saft zu stehen. Das Timing der FIE für internationale Turniere halte ich für ambitioniert, hier müssen wir einfach die Entwicklungen abwarten und möglichst adäquat auf entsprechende Situationen reagieren.“
Auf dem Weg nach TOKYO: Florett- und Säbelherren sicher bei Olympia dabei
Der Olympiastützpunkt NRW/Rheinland wird bei den Olympischen Spielen in TOKYO auf jeden Fall mit den Florett- und den Säbelherren vertreten sein, die sich bereits über die Team-Weltrangliste qualifizierten und dadurch auch jeweils drei Einzelstarter stellen können. Weitere OSP-Aspirantinnen für TOKYO sind Alexandra Ndolo im Degenfechten und Säbelfechterin Anna Limbach, die aber beide einen schweren Weg über die Einzel-Qualifikation vor sich haben, nachdem sich deren Teams keinen Startplatz über die Weltrangliste erkämpfen konnten.
Quelle: Olympiastützpunkt NRW/Rheinland, Bilder: Peter Eilers und Augusto Bizzi