Er ist erst 19 Jahre alt, zählte aber in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal zum „Team Deutschland“, welches bei den Olympischen Sommerspielen antrat. Während die Sportart, die er seit rund zehn Jahren voller Begeisterung betreibt, in der allgemeinen Berichterstattung oft nachrangig behandelt wird, rückt sie bei diesem Großereignis durchaus in den Fokus der Öffentlichkeit: Wasserspringen.
Um seine sportlichen Ziele zu verwirklichen, pendelt Jaden Eikermann seit mehreren Jahren nahezu täglich von seinem Wohnort Monheim ins rund 90 km entfernte Aachen, wo er beim SV Neptun 1910 trainiert. Im Alter von drei Jahren erlernte er in einem Verein in Monheim das Schwimmen – und wollte schnell mehr: „Ich habe immer den älteren Kindern beim Springen vom 3-m-Brett zugesehen und dies dann auch nachgemacht“, blickt Jaden Eikermann zurück. Als er sechs Jahre alt war, bot ihm seine Mutter an, die Sportart in einem Verein auszuprobieren, der in seinem Portfolio Wasserspringen hat. Etwa dreieinhalb Jahre übte er daraufhin an der Deutschen Sporthochschule Köln Wasserspringen aus, ehe es ihn zum SV Neptun Aachen verschlug, in dem aktuell etwa die Hälfte aller Mitglieder diese Sportart betreibt. „Der Verein hat in den vergangenen Jahren viele Sportler an die Spitze gebracht“, sagt Jaden Eikermann, dessen Schwerpunktdisziplin das Synchronspringen vom 10-m-Turm ist.
Erster Sprung vom 10-m-Turm als Sechsjähriger
Sechs bis sieben Mal pro Woche trainiert das Mitglied des TOP-TEAMS Paris Olympische Spiele des Olympiastützpunktes (OSP) NRW/Rheinland beim SV Neptun Aachen – und das seit zehn Jahren bei demselben Trainer: Alexander Neufeld. Dabei gestaltet sich das Training vielfältig: Etwa eine Stunde feilen die Sportlerinnen und Sportler „an Land“ u. a. an ihrer Technik, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer. Erwärmung, Dehnen, Krafttraining sowie viele Salti auf die Matte bzw. in die Kissengrube gehören ebenso dazu wie verschiedene Vorübungen für die späteren Sprünge vom Sprungbrett bzw. -turm, für die oftmals ein Sprungbrett, das man aus dem Turnen kennt, eingesetzt wird.
Anschließend geht es für rund zwei Stunden ins Wasser, um z. B. Tauchübungen vorwärts und rückwärts zu absolvieren. „Gutes Tauchen ist im Profibereich mit das Wichtigste. Denn das Eintauchen soll ja möglichst ohne Spritzer erfolgen“, erläutert Jaden Eikermann. Steht ein Wettkampf kurz bevor, werden im Training die Wettkampfsprünge besonders häufig durchgeführt. In diesen Phasen ist es durchaus üblich, dass diese 15- bis 20-mal pro Einheit ausgeführt werden. „Das ist körperlich sehr anstrengend und erfordert viel Ausdauer“, so der zweimalige Olympiateilnehmer. Mit mehr als 50 km/h tauchen die Sportlerinnen und Sportler dann ins Wasser ein. „Der Sport hat sehr, sehr viel mit dem Kopf zu tun. Man hat immer im Hinterkopf, wie schnell etwas passieren kann“, gibt Jaden Eikermann offen zu. Um die Sportart Wasserspringen auf hohem Niveau auszuüben, sind daher aus seiner Sicht mehrere Eigenschaften erforderlich: zum einen natürlich Mut. Gleichzeitig muss man lernen, mit der besonderen Herausforderung, die mit der Sportart verbunden ist, umzugehen. „Trotz der Gefahr und dem daraus resultierenden Stress muss man es wollen“, fasst Jaden Eikermann zusammen.
Damit das Risiko so gering wie möglich bleibt, werden die Sportlerinnen und Sportler beim SV Neptun Aachen – einem Landesstützpunkt des Schwimmverbandes NRW – sukzessive an die Sprünge herangeführt. Bevor ein Sprung vom Brett bzw. Turm erfolgt, werden „extrem oft“ entsprechende Vorübungen gemacht. „Bevor wir auf 10 Meter gehen, absolvieren wir die Vorübung rund 1.000-mal“, sagt Jaden Eikermann, der bereits als Sechsjähriger – damals natürlich per Fußsprung – zum ersten Mal vom 10-m-Turm sprang.
Besondere Unterstützung durch den OSP
Als Mitglied des TOP-TEAMS Paris Olympische Spiele des OSP NRW/Rheinland kommt Jaden Eikermann in den Genuss verschiedener Vorteile: So besteht etwa die Möglichkeit, dass er für Kosten, die im Zusammenhang mit einem Wettkampf anfallen und die nicht der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) trägt, vom Förderverein des Olympiastützpunktes einen Zuschuss erhält. Außerdem können die insgesamt rund 80 Athletinnen und Athleten, die dem TOP-TEAM Paris Olympische Spiele und dem TOP-TEAM Paris Paralympics angehören, über die Basis-Serviceleistungen des OSP hinaus einige Extras in Anspruch nehmen. Grundsätzliche Förderleistungen – für alle Sportlerinnen und Sportler, die dem OSP NRW/Rheinland angeschlossen sind – bestehen in der Leistungsoptimierung (Ernährungsberatung, Sportpsychologie, Leistungsdiagnostik), der Dualen Karriere und dem medizinischen Management (Physiotherapie, medizinisches Netzwerk, Reha-Training etc.). „Über das TOP-TEAM haben wir zudem eine noch engere Anbindung an die Athletinnen und Athleten. D. h., wir bleiben mit ihnen noch stärker in Kontakt, fassen bei ihnen noch mehr nach und informieren sie z. B. über die möglichen Zusatzleistungen“, erläutert Annika Reese, die beim OSP NRW/Rheinland für die Laufbahnberatung zuständig ist.
Was fasziniert den 19-Jährigen derart am Wasserspringen, dass er es nun schon so viele Jahre betreibt und so viel Zeit dafür aufwendet? „Bei dem Sport ist man, wenn man vom 10-m-Turm springt, für zwei Sekunden vollkommen frei, bis man ins Wasser eintaucht. Die Schwerelosigkeit ist das Größte daran. Außerdem ist die Sportart extrem spannend: Es gibt viele Faktoren, die den Sport spannend machen“, beschreibt der Perspektivkaderathlet des DSV seine Motivation.
Im Wettkampf vom 10-m-Turm sind er und sein Synchronpartner Timo Barthel gefordert, sechs unterschiedliche Sprünge – noch dazu aus sechs verschiedenen Gruppen – zu zeigen. Differenziert wird zwischen Vorwärts-, Rückwärts-, Auerbach-, Delfin-, Schrauben- und Handstandsprüngen. „Ich habe eigentlich keinen Lieblingssprung, am ehesten ist dies aber die Handstandschraube“, so Jaden Eikermann. Es habe lange gedauert, bis er diesen Sprung im Wettkampf, wenn Nervosität hinzukommt, „vernünftig hinbekommen“ habe, erzählt er. Denn es sei „extrem schwer, oben einen Handstand zu machen“. Bei Lehrgängen würden daher durchaus pro Tag bis zu 500 Handstände auf verschiedenen Untergründen geübt. „Disziplin ist mir sehr wichtig – diese habe ich auch durch den Sport gelernt. Man muss einfach Disziplin haben, wenn man Leistungssport macht“, sagt Jaden Eikermann.
Zweimal pro Woche ist für Jaden Eikermann zudem Krafttraining angesagt. Dieses erfolgt entweder mit dem Trainer oder in Eigenregie. Mit Gewichten wird dann insbesondere die Sprungkraft trainiert. Zur Trainingsgruppe des 19-Jährigen zählen vier weitere Sportler, allerdings nicht sein Synchronpartner Timo Barthel, mit dem er u. a. bei den Europameisterschaften 2022 Bronze gewann. Timo Barthel kommt zwar aus Aachen, er trainiert aber seit einigen Jahren am Bundesstützpunkt in Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt) und tritt bei Wettkämpfen für den SV Halle an.
„Timo und ich springen schon seit vielen Jahren zusammen. Das hat schnell geklappt – die Kommunikation bei uns beiden stimmt einfach“, sagt Jaden Eikermann. Lange Zeit sei Timo Barthel sein Vorbild gewesen, mittlerweile fühle es sich für ihn an, als sei der 28-Jährige sein „großer Bruder“. Er profitiere enorm von der Lebens- und Wettkampferfahrung des deutlich älteren Partners, so der Monheimer.
Jüngster DSV-Starter 2021 in Tokio
Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio/Japan war Jaden Eikermann mit gerade einmal 16 Jahren der jüngste Starter im Bereich des DSV. Damals qualifizierte er sich im Einzel für den Wettbewerb vom 10-m-Turm und belegte Platz 21. 2024 löste er dann gemeinsam mit Timo Barthel das Ticket für den lediglich aus acht Duos bestehenden Synchronwettbewerb.
Neben Halle an der Saale haben auch Berlin, Dresden, Leipzig und Rostock den Status eines Bundesstützpunktes im Wasserspringen. „Insgesamt hat der Sport nicht mehr den Stellenwert wie früher einmal“, weiß Jaden Eikermann. Daher sei er dankbar für die Unterstützung u. a. durch den OSP NRW/Rheinland und die Stiftung Deutsche Sporthilfe sowie froh darüber, dass er noch zuhause bei den Eltern wohnen könne – wenngleich die Kosten, die für die Fahrten zum Training oder zu Wettkämpfen anfallen, nicht zu unterschätzen seien. „2023 bin ich insgesamt 50.000 km gefahren“, meint Jaden Eikermann.
Das vergangene Jahr sei generell „sehr hart“ gewesen: Neben dem Abitur standen für das Nachwuchstalent u. a. die Weltmeisterschaften und die European Games an. 2024 war der Terminkalender allerdings nicht weniger vollgepackt: Bis zu den Olympischen Spielen startete Jaden Eikermann u. a. bei den Weltmeisterschaften und allen drei Weltcups, die für ihn infrage kamen, zusätzlich absolvierte er Lehrgänge mit der Nationalmannschaft.
Für den illustren Kreis in Paris qualifizierten sich Jaden Eikermann und Timo Barthel dank ihrer hervorragenden Platzierung in der Weltrangliste: Das Duo gehört seit 2023 den Top 7 der Welt an und sicherte sich seinen Startplatz letztlich durch den siebten Platz bei der WM in Doha/Katar. „Realistisch ist von Platz vier bis Platz sieben alles möglich. Wenn Timo und ich einen perfekten Tag haben und die anderen Patzer machen, besteht sogar eine ganz kleine Chance auf eine olympische Medaille. Das ist natürlich der Traum eines jeden Sportlers. Aber da kommt es auch auf die Tagesform an. Ein kleiner Fehler reicht, dann ist das Podium weg“, meinte Jaden Eikermann knapp zwei Wochen vor den Olympischen Spielen in der französischen Hauptstadt. Letztlich belegte das Duo in dem hochklassigen Teilnehmerfeld Platz sieben.
Bei einem Wettkampf müssen alle sechs Sprünge an einem Tag absolviert werden. Daher kann es bei Weltmeisterschaften durchaus sechs bis sieben Stunden dauern, bis der Wettbewerb beendet ist. „Da muss man sich körperlich und geistig warmhalten“, sagt Jaden Eikermann. So gingen z. B. in Doha vom 3-m-Brett 70 Duos an den Start. Bis der nächste Sprung gezeigt werden darf, können so schon mal bis zu anderthalb Stunden vergehen.
Besondere Möglichkeiten aufgrund des Leistungssports hat Jaden Eikermann übrigens auch bei der Berufsausbildung: Der 19-Jährige ist seit dem Wintersemester 2023/2024 an der RWTH Aachen eingeschrieben, die als „Partnerhochschule des Spitzensports“ u. a. unkompliziert Urlaubssemester genehmigt, damit sich die Athletinnen und Athleten, die an der Hochschule studieren, noch besser auf bevorstehende Großereignisse wie die Olympischen Spiele vorbereiten können. „Während eines Urlaubssemesters kann man zwar auch Kurse besuchen, man braucht aber keine Prüfungen zu absolvieren“, erläutert OSP-Laufbahnberaterin Annika Reese. Hochschulen, die eine solche Kooperation mit dem OSP eingegangen sind, verfügen zudem über eine spezielle Ansprechperson für die jeweiligen Athletinnen und Athleten, sofern sie Fragen zum Studium haben oder Schwierigkeiten auftreten – damit die Studierenden sowohl im Leistungssport als auch im Hinblick auf ihr späteres Berufsleben optimale Bedingungen vorfinden.
Weitere Informationen zu Jaden Eikermann finden sich auf der OSP-Website unter https://www.osp-rheinland.nrw/sportsmen/jaden-eikermann.
Text: Claudia Pauli
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