Von Claudia Pauli
Seit mittlerweile 21 Jahren übt Yanna Schneider ebenso leidenschaftlich wie erfolgreich die Sportart Taekwondo aus. Mit 14 Jahren gewann sie zum ersten Mal bei den Deutschen Meisterschaften den Titel, ein Jahr später – gleich bei ihrer ersten EM-Teilnahme – wurde sie Vizeeuropameisterin und 2012 folgte der bisherige Höhepunkt: der Triumph bei den Jugend-Weltmeisterschaften. Noch heute ist die gebürtige Bonnerin fester Bestandteil der Nationalmannschaft, nimmt an Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Grand Prix-Serien teil und gewinnt regelmäßig Medaillen bei internationalen Wettkämpfen. So holte sie jüngst Anfang Mai bei den Europameisterschaften in der serbischen Hauptstadt Belgrad Bronze.
Doch auch neben dem Sport ist Yanna Schneider, die beim TKD Swisttal trainiert und seit jeher auf die olympische Disziplin Zweikampf spezialisiert ist, eine „Powerfrau“: Sie schloss Anfang 2022 ihr Masterstudium als Wirtschaftspsychologin an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) ab und arbeitet seitdem bei zfm – Zentrum für Management- und Personalberatung in Bonn. Damit zeigt Yanna Schneider eindrucksvoll, wie sich Leistungssport und die schulische bzw. berufliche Laufbahn vereinbaren lassen.
Einzige deutsche Jugend-Weltmeisterin in ihrer Disziplin
Im Alter von sieben Jahren kam Yanna Schneider zum ersten Mal mit Taekwondo in Kontakt. „Ich war ein großes, schlankes Mädchen und mein Vater meinte, dass es hilfreich wäre, eine Sportart auszuüben, durch die ich selbstbewusster werde und bei der man lernt, sich zu verteidigen“, blickt Yanna Schneider zurück. So fiel die Wahl auf den Taekwondo Verein (TKD) Swisttal, einen schon damals in der Kampfkunstszene renommierten Verein.
Nach wie vor fasziniert die heute 28 Jahre alte Athletin ihre Sportart: „Taekwondo ist eine sehr vielfältige Sportart – man kann und muss im Training unglaublich kreativ sein. Es sind sowohl Komponenten der Ausdauer, der Technik und der Taktik als auch der Sprungkraft, der Flexibilität und der Koordination gefragt. Auch dass ich immer meine eigene ‚Chefin‘ bin, gefällt mir gut“, sagt Yanna Schneider, die in ihrer Gewichtsklasse seit mehr als sechs Jahren in den Top 10 der Weltrangliste geführt wird.
Im Alter von 9/10 Jahren bestritt sie ihre ersten Nachwuchsturniere. Mit zwölf Jahren durfte sie zum ersten Mal an Deutschen Meisterschaften teilnehmen, aber auch zu diesem Zeitpunkt trainierte sie „nur zweimal pro Woche“, wie sie sagt. Die leistungsorientierte Ausübung ihrer Sportart ergab sich ab einem Alter von 13/14 Jahren: Von da an waren vier Trainingstage unter der Woche Usus, zusätzlich trainierte sie am Wochenende. „Ich war schon immer ehrgeizig, konkrete Ziele hatte ich bis dahin jedoch nicht“, erinnert sich die heutige Perspektivkaderathletin der Deutschen Taekwondo Union (DTU).
Mit 14 Jahren wurde Yanna Schneider zum ersten Mal Deutsche Meisterin, was ihr eine Einladung zum Training des Nationalteams einbrachte. Als sie ein Jahr später bei den Jugend-Europameisterschaften die Silbermedaille gewann, war ihr „Platz im Nationalteam gesichert“, wie sie sagt. Bei den Jugend-Weltmeisterschaften 2012 verzeichnete sie mit dem Gewinn der Goldmedaille ihren bislang größten Erfolg – und bis heute ist Yanna Schneider die einzige deutsche Jugend-Weltmeisterin in ihrer Disziplin. Mit dem Gewinn der Bronzemedaille bei der Jugend-EM 2013 beendete sie schließlich ihre erfolgreiche Jugendzeit.
Danach galt es für Yanna Schneider, den Sprung zu den Seniorinnen zu meistern. „Auf einmal tritt man gegen Profis an“, beschreibt sie die Herausforderungen, die der Wechsel mit sich brachte. Jedoch: Gleich bei ihren ersten Europameisterschaften im Erwachsenenbereich konnte sie eine Top 10-Platzierung erreichen und sogar die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro war möglich. „Es war eine sehr aufregende und lehrreiche Zeit, aber auch mental sehr fordernd“, blickt Yanna Schneider zurück. Die darauffolgenden Jahre, 2016 bis 2018, betrachtet sie rückblickend als „Findungsjahre“. In dieser Zeit fasste sie auch den Entschluss, sich neben dem Sport ein zweites Standbein aufzubauen – und begann ein Bachelorstudium im Bereich Wirtschaftspsychologie.
Hervorragende Unterstützung durch die Schule und den OSP
Um neben dem Leistungssport auch die Schule erfolgreich absolvieren zu können und so später in beruflicher Hinsicht alle Möglichkeiten zu haben, wurde Yanna Schneider schon früh bestmöglich unterstützt. So hatte sie das Glück, das Tannenbusch-Gymnasium in Bonn – und damit eine „Eliteschule des Sports“ – zu besuchen, was ihr gestattete, in der Unter- und der Mittelstufe einmal und in der Oberstufe sogar dreimal wöchentlich am Frühtraining ihres Vereins teilzunehmen. „Die Sportart Taekwondo hat einen sehr hohen Stellenwert an unserer Schule. Neben den großartigen sportlichen Erfolgen werden positive Werte vermittelt, sodass die Schülerinnen und Schüler aus dem Taekwondo unsere Schulgemeinschaft durch Empathie, Fairness und eine wertschätzende Kommunikation bereichern“, sagt Schulleiter Eike Schultz.
Seiner Schule liege die Förderung des Nachwuchsleistungssports ganz allgemein sehr am Herzen, „da wir feststellen, dass unsere Sportlerinnen und Sportler neben den großartigen sportlichen Erfolgen sehr viele Kompetenzen erlangen, die sie auch außerhalb des Sports gut gebrauchen können. Sie erleben in Siegen positive Emotionen, die ihr Selbstwertgefühl stärken. Sie lernen, mit Niederlagen und Misserfolgen umzugehen. Sie lernen, sich zu fokussieren und zu priorisieren. Daraus resultiert oft ein sehr gutes Zeitmanagement und eine gute Konzentrationsfähigkeit. Sie lernen oftmals andere Kulturen und andere Sprachen und Länder kennen und setzen sich damit auseinander. Insgesamt sind es am Ende der Schulzeit oft selbstbewusste, weltoffene, positiv fokussierte und sozial sehr umgängliche Persönlichkeiten, die wir gerne noch länger bei uns hätten“, betont Eike Schultz.
Umgekehrt ist Yanna Schneider dankbar dafür, dass die Schule z. B. Verständnis zeigte, wenn eine Nominierung anstand und daher der Sport für eine Weile Vorrang hatte. Gleichzeitig hätte sie von ihrem Trainer Dimitrios Lautenschläger stets viel Unterstützung erfahren, sagt die Sportlerin: So durfte sie in Klausurphasen das Training auch mal reduzieren.
Nach dem Abitur wollte Yanna Schneider eigentlich „etwas mit Sport machen“. Doch nach einem achtmonatigen Orientierungspraktikum im Bereich Personalentwicklung beim TÜV Rheinland, welches sie über die Sportstiftung NRW vermittelt bekam, war ihr klar, dass ein Sportstudium für sie nicht infrage kommt. Über den Olympiastützpunkt (OSP) NRW/Rheinland sowie die Sportstiftung NRW wurde sie stattdessen auf die Kooperation und das Angebot der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg aufmerksam gemacht. „Aufgrund der zuvor gemachten Erfahrungen durch das Praktikum gefiel mir der Bachelorstudiengang der Wirtschaftspsychologie besonders“, erzählt Yanna Schneider. Ein positiver Nebeneffekt dieser Hochschule bestand zudem darin, dass der Standort Rheinbach nur zehn Minuten von ihrem Verein und 25 Minuten von ihrem Zuhause entfernt ist.
„Ich habe das Studium pflichtbewusst absolviert, aber es war nicht – wie zunächst gedacht – mit Leidenschaft verbunden“, blickt Yanna Schneider zurück. Viel mehr Spaß habe ihr die Arbeit in der Praxis gemacht, so die Athletin. So war sie etwa als Praktikantin bei Advyce, einem Beratungsunternehmen aus Düsseldorf, tätig und anschließend als Werkstudentin bei Tank & Rast in der Personalabteilung.
Laufbahnberatung eine große Hilfe
Nach Abschluss ihres Bachelorstudiums stand für Yanna Schneider eigentlich fest, dass sie kein Masterstudium anschließen würde. Doch auch in dieser Phase halfen ihr die Verantwortlichen beim OSP NRW/Rheinland weiter: Laufbahnberaterin Annika Reese empfahl ihr, noch einmal in Ruhe zu überlegen, ob sie sich nicht doch für das weiterführende Masterstudium im Bereich der Wirtschaftspsychologie einschreiben wolle – und dann zu schauen, wie sich alles entwickelt. Beabsichtigt war, dass nun der Sport wieder Priorität haben sollte – doch dann kam die Corona-Pandemie …
„Ich bin noch heute sehr dankbar für diese Beratung, denn die Pandemie konnte nun wirklich niemand voraussehen. Dadurch, dass in dieser Zeit keine Turniere stattfanden und auch alles andere eingeschränkt war, hatte ich zum ersten Mal Zeit, um mich voll auf mein Studium zu fokussieren. Und plötzlich hat es mir richtig Spaß gemacht, ich habe Kontakt zu Kommilitoninnen und Kommilitonen aufgebaut, und ich habe auch richtig gute Noten geschrieben. Während meiner Bachelorzeit habe ich wegen des Sports kein typisches Studienleben führen können und habe sicherlich vieles verpasst. Aber nun, auch wenn es nur digital war, konnte ich auf einmal dabei sein“, sieht Yanna Schneider auch Gutes in der Corona-Pandemie.
Wie Annika Reese erläutert, schreibt der OSP NRW/Rheinland alle Sportlerinnen und Sportler an, sobald sie dem OSP als Bundeskaderathletinnen bzw. -athleten gemeldet wurden, und lädt sie zu einem Erstgespräch ein, in welchem der OSP seine Leistungen vorstellt. Dabei besprechen die Laufbahnberaterinnen und -berater mit den Sportlerinnen und Sportlern auch, „wie es bei ihnen im Bereich der dualen Karriere aussieht“, wo ihre Stärken und Schwächen liegen, wo sie sich beruflich in fünf oder zehn Jahren sehen und bieten ihnen an, dass sie jederzeit Folgetermine ausmachen können, wenn sie diesbezüglich Unterstützung wünschen.
Denn: Die Verantwortlichen am OSP wissen z. B. genau, an welchen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen für Kaderathletinnen und -athleten bevorzugte Zugangsmöglichkeiten bestehen und können ihnen im damit einhergehenden Bewerbungsverfahren zu Hilfe kommen. Darüber hinaus gibt es an den sogenannten Partnerhochschulen des Spitzensports Ansprechpartnerinnen und -partner, die die Athletinnen und Athleten unterstützen können. Außerdem verfügt der OSP über ein Netzwerk aus Unternehmen, die in besonderer Weise Verständnis für Spitzensportlerinnen und -sportler haben und folglich eine bestmögliche Vereinbarkeit von Spitzensport und Berufsausbildung bzw. -übung gewährleisten. Dazu zählt etwa, dass Praktika gestreckt werden können, die Athletinnen und Athleten für Wettkämpfe und Trainingslager freigestellt werden, sie mobil arbeiten dürfen und statt einer festen Wochenstundenzahl eine Jahresarbeitszeit festgelegt wird. „Wir werden durchaus häufig von Sportlerinnen und Sportlern angefragt, ob wir sie in irgendeiner Form unterstützen. Dass wir über viele Kontakte fungieren und vielfach Türöffner sein können, wenn es darum geht, bei Unternehmen ein Verständnis für Spitzensport zu schaffen, spricht sich in den Trainingsgruppen rum“, sagt Annika Reese.
So nahm Yanna Schneider einmal mehr die Unterstützung des OSP an, während sie ihre Masterarbeit schrieb, und absolvierte ein weiteres Praktikum – diesmal bei der Kreissparkasse Köln und ebenfalls im Bereich Personalbetreuung. Hier gehörte Yanna Schneider für drei Monate dem Ausbilderteam an, welches den neuen Azubi-Jahrgang begleitete.
Nach Abschluss ihrer Masterarbeit im Februar 2022 tauschte sich Yanna Schneider erneut mit Laufbahnberaterin Annika Reese aus und wurde dadurch auf zfm aufmerksam gemacht. Das Unternehmen widmet sich primär der Personalsuche, -auswahl und -entwicklung im öffentlichen Sektor, z. B. für Stadtwerke und öffentliche Verwaltungen. „Den Bereich des Recruitments fand ich eigentlich weniger spannend, aber auch hier wurde ich eines Besseren belehrt. Inzwischen macht mir meine Aufgabe als Headhunterin richtig Spaß“, so Yanna Schneider.
Zunächst absolvierte sie bei zfm ein zweijähriges Traineeprogramm im Umfang von 20 Stunden pro Woche, anschließend wurde sie bei dem Unternehmen Juniorberaterin. „Trainingslager, Wettkämpfe und Physiotherapieeinheiten werden flexibel abgesprochen und mobiles Arbeiten ist problemlos möglich. Das Versprechen, das zfm mit dem OSP hat, nämlich für Sportlerinnen und Sportler ausgelegt zu sein, trifft voll zu“, sagt Yanna Schneider.
„Sportlerinnen und Sportler haben eine hohe Leistungsmotivation, sind sehr fokussiert und gut strukturiert und wollen etwas erreichen“, nennt zfm-Geschäftsführer Edmund Mastiaux einige Gründe, warum er gerne Athletinnen und Athleten in sein Team integriert. „Mit 25 Mitarbeitenden sind wir eine relativ kleine Beratung. Dadurch haben wir die Möglichkeit, uns im Projektteam konkret nach dem Bedarf von Frau Schneider zu richten. Die Zusammenarbeit mit Frau Schneider hat von Beginn an sehr gut funktioniert“, sagt Edmund Mastiaux, der selbst immer viel Sport gemacht hat und zudem über eine Trainer-B-Lizenz im Fußball verfügt.
„Viele, die bei uns arbeiten, haben Psychologie oder Wirtschaftspsychologie studiert. Yanna Schneider brachte ein einschlägiges Studium als Fundament und eine entsprechende Persönlichkeit mit. Insofern passte es bei ihr sozusagen doppelt gut“, so Edmund Mastiaux. Er habe die 28-Jährige als „sehr umgänglich, kollegial und hilfsbereit“ kennengelernt und das gesamte Team sei natürlich auch „ein bisschen stolz, dass jemand bei zfm arbeitet, der beruflich und im Sport erfolgreich ist“, meint Edmund Mastiaux.
Duale Karriere empfehlenswert
Von all dem, was sie im Sport, aber auch persönlich, weitergebracht hat, lässt Yanna Schneider inzwischen den Nachwuchs profitieren: Seit einigen Jahren ist sie selbst als Frühtrainerin und Trainerin in ihrem Verein tätig. Dabei vermittelt die 28-Jährige nicht allein taekwondospezifische Inhalte, sondern führt die Kinder und Jugendlichen auch an Inhalte des Krafttrainings heran, spricht mit ihnen über mentale Herausforderungen und unterstützt sie bei lokalen Turnieren.
„Ich glaube, die Kids nehmen mich eher als strengere Trainerin wahr. Sie wissen aber auch meine Expertise und meine Erfahrungen zu schätzen. Mir ist es aber genauso wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen wissen, dass man mit mir auch Spaß haben kann und ich immer offen für verrückte Sachen bin“, sagt Yanna Schneider, die seit April 2024 Inhaberin der Trainer-B-Lizenz des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ist. So habe sie etwa an Weihnachten zehn pubertierende Mädels zu sich nach Hause eingeladen und eine Pyjamaparty veranstaltet. „Es war chaotisch, aber toll“, meint Yanna Schneider lachend. Und Eike Schultz, Schulleiter des Tannenbusch-Gymnasiums in Bonn, weiß: „Unsere jüngeren Schülerinnen und Schüler aus dem Taekwondo sind stolz, bei Yanna Schneider trainieren zu dürfen, und freuen sich auf jede Trainingseinheit mit ihr.“
Während Yanna Schneider auf die nächsten Höhepunkte in ihrer sportlichen Laufbahn blickt, kommt noch einmal deutlich zum Ausdruck, dass ihr die duale Ausrichtung in verschiedener Hinsicht sehr wichtig war. „Besonders in herausfordernden Situationen haben mir der mentale Ausgleich zwischen Spitzensport, Studium und Berufsleben geholfen. Auch habe ich in dieser Zeit gelernt, dass ein hoher Trainingsumfang nicht immer die gewünschte Trainingsqualität erzielt“, sagt Yanna Schneider. Ihr Fazit: „Wenn man ausreichend ehrgeizig und diszipliniert ist sowie gute Unterstützung von verschiedenen Akteuren erhält, ist ein Studium oder ein Berufsleben parallel zum Leistungssport in jedem Fall machbar!“