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Para-Radsport-WM: Sensationelle Medaillenausbeute und WM-Titel für OSP-Athleten/innen

Große Freude bei Annika Zeyen (Bild: © Oliver Kremer, sports.pixolli.com)

Bei der Weltmeisterschaft der Para-Cycler im niederländischen Emmen gewannen die deutschen Fahrerinnen und Fahrer insgesamt acht Gold-, acht Silber- sowie drei Bronzemedaillen. Auch unsere OSP-Vertreter Hans-Peter Durst, Andrea Eskau, Annika Zeyen und Kerstin Brachtendorf konnten sich dabei über WM-Titel und Medaillengewinne freuen.

Andrea Eskau wird Doppel-Weltmeisterin

OSP-Athletin Andrea Eskau war beim Zeitfahren in ihrer Klasse H5 unschlagbar. Auf ihrem neu entwickelten Handbike als Letzte auf die Strecke gegangen, überholte die 49-Jährige bis auf die spätere Zweitplatzierte alle Konkurrentinnen und stoppte die Uhr nach 34:47,48 Minuten – 28 Sekunden schneller als Oksana Masters aus den USA. Eskau glücklich: „In diesem Jahr zu gewinnen, ist besonders toll. Das neue Sportgerät ist ausgesprochen schnell, das war ein sowohl ein moralischer als auch ein technischer Vorteil. Es war heute der erste Renneinsatz damit, die Entwicklung hat insbesondere die Ingenieure von Toyota viel Zeit und Nerven gekostet. Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen, denn ich wollte mich sauber für Tokio qualifizieren. Eine Goldmedaille ist quasi die Eintrittskarte, und ich bin unglaublich glücklich.“

Ihr zweites WM-Gold gewann Andrea Eskau beim Straßenrennen in der Klasse H5. Bereits früh im Rennen setzten sich Andrea Eskau und ihre Dauer-Konkurrentin Oksana Masters von der Konkurrenz ab und alles lief auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinaus. Masters griff am Anstieg an – doch Andrea Eskau konterte und überholte die Amerikanerin mit einem fulminanten Schlussspurt. „Eine Tigerin lässt sich am Berg nicht abhängen“, sagte unsere OSP-Athletin schmunzelnd. Nach einem schwierigen Jahr mit vielen Rückschlägen hat die 48-Jährige ihren gesundheitlichen Problemen getrotzt und fantastische Leistungen gezeigt. „Das ist der Lohn vieler Mühen, ich freue mich sehr, dass es so geklappt hat. Auf der Zielgeraden konnte ich nochmal zulegen“, betont Andrea Eskau, die sich mit ihrem nagelneuen Handbike sehr wohlgefühlt hat: „Das ist ein Riesenzugewinn, ich kann die Kurven mit höherer Geschwindigkeit fahren – und es war heute auch ein Quäntchen, so dass die Entscheidung zu meinen Gunsten ausgefallen ist.“

Hans-Peter Durst gewinnt Gold und Silber

Dreiradfahrer Hans-Peter Durst gewann das Zeitfahren der Klasse T2 und eroberte den Weltmeistertitel zurück. Und dies am Ende einer Saison, in der er aus gesundheitlichen Gründen auf alle Weltcup-Starts verzichten musste. Trotzdem bekam Durst das Vertrauen des Bundestrainers und zahlte dies mit der Bestzeit von 34:06,93 Minuten und dem Weltmeistertitel zurück. „Dieser Vertrauensvorschuss des Bundestrainers Tobias Bachsteffel, unseres Sportdirektors Frank-Thomas Hartleb, ganz besonders auch unserer Verbandsärztin Anja Hirschmüller, war riesig. Sie haben beschlossen, dass ich zur Weltmeisterschaft kommen kann, obwohl ich keine Qualifikationsrennen fahren durfte. Ich hatte nach dieser Vorgeschichte mit einer Platzierung unter den besten fünf gerechnet, jetzt bin ich Weltmeister, ich kann es selbst noch gar nicht fassen. Vielleicht kommt es morgen irgendwann, jetzt genieße ich es einfach, es sind tolle Menschen um mich herum, die alle ihren großen Anteil daran haben, vielen Dank“, sagte Durst und freute sich über sein neuntes Regenbogentrikot.

Im abschließenden Straßenrennen der Klasse T2 musste sich Hans-Peter Durst über die vier Runden (29,6 Kilometer) nur dem US-Amerikaner Ryan Boyle geschlagen geben. „Auf der zweiten Runde sind wir alle im Park auf einem gefährlichen Stück gestürzt“, berichtete der 61-jährige Routinier. „Ich hatte die schnellste Reaktion, bin aus dem Gras raus und wieder losgefahren. Dann kamen der Neuseeländer Stephen Hills und Ryan Boyle wieder zurück, und wir haben es am Ende zu dritt ausgemacht. Auf der letzten Runde habe ich nochmal versucht, am Berg zu attackieren, kam aber nicht weg. Danach war ich gegen Boyle saft- und kraftlos, er ist im Sprint einfach stärker. Aber Silber nach so einer Saison ist einfach toll.“

Annika Zeyen holt bei WM-Premiere Gold und Bronze

Die frühere Rollstuhlbasketballerin und Para Leichtathletin Annika Zeyen war nach einer Verletzung 2018 aufs Handbike gewechselt und fuhr dieses Jahr ihre erste Saison im Para Radsport. Nach einem sechsten Platz im Zeitfahren kündigte Zeyen im Straßenrennen einen Angriff an, machte ihr Versprechen mit einem beherzten Auftritt wahr und wurde mit Gold und dem Regenbogentrikot belohnt. Dabei war Zeyen nach einer Kollision zunächst sogar zurückgefallen, kämpfte sich aber zurück und fuhr auf dem letzten Kilometer allen davon.

„Die Amerikanerin hatte sich bei mir hinten festgefahren, wir mussten einmal komplett anhalten“, berichtete Zeyen. „Jemand von der UCI ist gekommen und hat uns auseinandergezogen, und dann mussten wir erstmal die Lücke wieder schließen. Das war der härteste Teil des ganzen Rennens. Ich hatte vorher schon immer am Berg getestet, wie ich im Vergleich zu den anderen bin und wusste, dass ich gut drauf bin. Auf der letzten Runde bin ich dann am Anstieg davongezogen, und das hat bis ins Ziel geklappt. Ich hätte wirklich niemals damit gerechnet, dass das hier heute was wird, ich kann es noch gar nicht glauben.“

Zum WM-Auftakt hatte Annika Zeyen zusammen mit Bernd Jeffré und Vico Merklein im Team-Relay direkt ein Ausrufezeichen gesetzt, als sie nach einem schnellen Rennen auf Platz drei rasten und über Bronze jubeln konnten. Beim Team-Relay wechselte sich das Trio ab, jeder fuhr dreimal je eine Runde von 1,42 Kilometern, so dass insgesamt neun Runden für eine Gesamtdistanz von 12,78 Kilometern zurückgelegt wurden.

Schnell setzten sich vier Mannschaften ab, und während Italien schließlich mit einigem Vorsprung gewann, lieferten sich die USA, Deutschland und Spanien ein spannendes Rennen um die weiteren Medaillen, in dem die Positionen ständig wechselten. Auf der neunten Runde lag Vico Merklein vor dem spanischen Schlussfahrer auf Rang drei. Doch in der letzten Kurve vor dem Ziel wurde der 42-jährige Berliner vom Spanier abgedrängt und fuhr in die Begrenzungsbande. Merklein konnte jedoch schnell weiterfahren und kam als Vierter ins Ziel. Das spanische Team wurde wegen dieses Vorfalls zurückgestuft, dadurch gewann das deutsche Trio Bronze. So konnten Zeyen, Jeffré und Merklein gleich am ersten Wettkampftag auf dem Podium jubeln, für Zeyen war es bei ihrer ersten WM-Teilnahme im Para Radsport gleich die erste Medaille.

Zwei Medaillen auch für Kerstin Brachtendorf

Kerstin Brachtendorf gewann zunächst im Zeitfahren der Klasse C5 die Bronzemedaille. Unsere OSP-Athletin war im Gegensatz zu den meisten anderen Fahrerinnen ohne Leistungsmessgerät unterwegs und fuhr eine Zeit von 30:54,89 Minuten. „Ich fahre Zeitfahren nach Gefühl“, sagte die 47-Jährige aus Mendig. „Das hört sich für viele seltsam an und funktioniert auch bei vielen nicht. Mein Gefühl war heute gar nicht gut, ich dachte nur, ich muss immer Druck auf dem Pedal haben, mich auf dem Rad so klein wie möglich machen, und kurbeln, was geht. Umso überraschter war ich über Bronze“, sagt Kerstin Brachtendorf und fügt an: „Eine Medaille habe ich mir niemals ausgerechnet. Ich bin mehr als zufrieden, es ist die Krönung einer super Straßensaison.“

Im Straßenrennen der Klassen C4 und C5 über neun Runden war Kerstin Brachtendorf zu Beginn des Rennens etwas in Schwierigkeiten, kam aber wieder zurück zur Spitze und sprintete schließlich zu Silber, nachdem sie einem Sturz in der Zielkurve auswich. Sarah Storey (Großbritannien) gewann Gold.

„Wir haben am Anfang versucht, die schwächeren Fahrerinnen, die auch eine Sturzgefahr bringen, loszuwerden. Das haben wir auch geschafft, aber da war ich schon fast abgeschlagen. Es wurde mehrmals versucht, eine Selektion herbeizuführen, aber es hat nicht funktioniert. Auf der letzten Runde ging das Geschiebe schon früh los. Ich bin eigentlich ein ängstlicher Typ, aber heute habe ich auch die Ellenbogen rausgestellt, es war wirklich ein Positionskampf. Zwei Fahrerinnen sind zu schnell in die letzte Kurve rein, ich war am Hinterrad, Storey neben mir. Sie hat sich durch den Sturz weniger irritieren lassen und einfach durchgezogen, ich habe kurz rausgenommen, sonst hätte ich auch da gelegen. Ich bin einfach nur glücklich über meine erste Silbermedaille und darüber, dass meine Form noch einmal bestätigt habe.“

Quelle: DBS, Bild: © Oliver Kremer, sports.pixolli.com

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